| Kompetenzteam ... für schöne und für schlimme Wörter |
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Kompetenzteam (Das Web nach Kompetenzteam durchsuchen.) Benno, 29. August 2002 um 10:27:56 MESZ
Kompetenz oder Können? Nie war Deutschland kompetenter als heute. Trotz öffentlich gemachter Bildungsmisere, Firmen -pleiten und hoher Arbeitslosigkeit: die Kompetenz ist allgegenwärtig, lächelt von Plakaten, strahlt aus bunten Broschüren, tummelt sich dutzendfach in journalistischen wie wissenschaftlichen Texten. Es ist das Modewort schlechthin, erhebt aber den Anspruch, ernst genommen zu werden wie manches, was auf –enz endet. Kritik sollte sich deshalb nur der erlauben dürfen, der über die nötige Sprachkompetenz verfügt. Diesen Begriff gibt es tatsächlich in der Pädagogik. Nicht jedoch eine Instanz, die uns kompetent über all die schillernden Facetten der Kompetenz im heutigen Leben aufklärt. Es wäre dringend, denn es gibt keinen Bereich mehr, der nicht vom Kompetenzvirus befallen wäre: Wirtschaft, Politik, Naturwissenschaften, Medizin und Pädagogik. Nirgends geschieht auch nur eine Kleinigkeit ohne den Anspruch der Kompetenz! Ja, jedes Denken und Handeln ist nur möglich, wenn dazu die Kompetenz vorhanden ist. Erst die Kompetenz verleiht die Lizenz. Vorbei die Zeiten, als Kinder noch lesen und schreiben konnten. Sie haben heute Lesekompetenz, mehr oder weniger, meist weniger. Denn ob Kompetenz wirklich von Können kommt, ist höchst zweifelhaft, wenn man eine Reihe von Verbindungen ansieht, die so im Web - Stichwort Kompetenz - veröffentlicht sind: Kompetenz und Know-how, Kompetenz und Fähigkeit, Kompetenz und Erfahrung, Kompetenz und Verlässlichkeit, Kompetenz und Verlässlichkeit, Kompetenz und Leistung. Was ist denn nun Kompetenz, wenn man betont, daneben auch noch Wissen, Fähigkeit und Erfahrung zu besitzen? Frühere Zeiten nahmen die Kompetenz wörtlich als Zuständigkeit, erworben durch gründliche Erfahrung. Wissen und Fähigkeit waren die Voraussetzung. Heute scheint man Kompetenz bereits durch das Befolgen einer Gebrauchsanleitung zu erwerben, während andererseits die Lesekompetenz als pädagogischer Fachterminus laut Definition nicht nur das Lesenkönnen beinhaltet, sondern sogar die Interpretation von Texten umfasst. Kompetenz erscheint in den meisten Fällen als eine Worthülse, die mehr den eigenen Anspruch auf Zuständigkeit als die Berechtigung dazu ausdrücken soll. Ob andere diese reklamierte Zuständigkeit auch zugestehen, scheint nebensächlich. Und so nennt eine Partei ihr Schattenkabinett bereits im Vorgriff auf den erhofften Wahlsieg Kompetenzteam und veranstalten nach Fernsehvorbild Kompetenz-Duelle mit dem politischen Gegner! Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als sei dieser inflationär ansteigende Gebrauch des Wortes Kompetenz eine Vertuschung der im gleichen Maße weniger werdenden umfassenden Kenntnisse und Fähigkeiten. Und wenn Kompetenz heute noch Wissen bedeutet, dann das Wissen, wo die zu finden sind, die es wirklich noch wissen und natürlich das Wissen um den Gerätepark. Also nicht mehr das alte Know-how, das Gewußtwie, auch nicht das Gewußtwas, schon gar nicht das Gewußtwarum, sondern lediglich noch ein Gewußtwo! Der Begriff, der aus der Wirtschaft kommt, kann seinen wahren Charakter, nämlich seinen Warencharakter nicht verbergen. Er drückt die Verdinglichung der Fähigkeit, des Könnens aus. Er wird wie eine Ware angepriesen und kann von jedem wie eine Ware erworben werden. Oder sollte man besser sagen, wie die Hochglanz-Verpackung einer Ware, die nichts über die Qualität des Inhalts aussagt? Kompetenz in Schraubwerkzeugen, Kompetenz in Sachen Schmerztherapie, Kompetenz in Markenuhren, Kompetenz in Stein, Kompetenz in Kommunikation, Kompetenz im Internet, Kompetenz im Management, technologische Kompetenz, digitale Kompetenz, Elektro-Kompetenz, Allergie-Kompetenz-Center, soziale und emotionale Kompetenz, interkulturelle Kompetenz, Vereinigte Kompetenz, Kompetenz-Konferenz. Ein vergleichbar nichtssagendes deutsches Wort für Kompetenz ist Ahnung. Man hat keine, wenig oder viel. Aber anders als Ahnung strahlt Kompetenz etwas aus. Sie verleiht jedem Handgriff, jeder Aktivität , auch und gerade dem Telefonieren oder dem Blick auf den Monitor des PCs ein goldenes Diplom! Natürliche schlägt sich diese virtuelle Kompetenz zum Nachteil des Verbrauchers in den entsprechend kompetenten Rechnungen nieder. Meine Meinung: Sagen wir Wissen, wenn wir Wissen meinen, sprechen wir von Fähigkeit, wenn es um Fähigkeit geht und bieten wir Erfahrung an, wenn wir sie haben. Überlassen wir aber die Entscheidung darüber , ob wir kompetent sind, denen, die mit uns Erfahrung gemacht haben.
Benno,
29. August 2002 um 10:29:42 MESZ
@ Benno: Du bist kompetenzkompetent!
Hella,
29. August 2002 um 17:04:40 MESZ
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