Kompetenzteam ... für schöne und für schlimme Wörter |
Abschnittsbevollmächtigter (Das Web nach Abschnittsbevollmächtigter durchsuchen.) tinto, 1. August 2002 um 22:09:32 MESZ
Abk.: ABV. Mir war als kleiner Junge ja immer sehr unwohl bei dem Gedanken, was der wohl abzuschneiden bevollmächtigt war. Bis ich erfahren habe, dass es nur ein Bullezeier war der für einen bestimmten Abschnitt (also räumlichen Bereich) zuständig war. related DDR-Spruch: "Greifvogel mit 3 Buchstaben? ABV!" (Im Nachbardorf warn es 4 Buchstaben, da hieß der ABV nämlich witzigerweise Rabe.)
tinto,
1. August 2002 um 22:12:22 MESZ
Und was soll an diesem Verschleierungswort, bei dem kleinen Kindern völlig zu Recht unwohl wird, schön sein?
phaeake,
2. August 2002 um 09:53:49 MESZ
Neuerfindung heutzutage Kontaktbeamter, denkt man.
seewolf,
2. August 2002 um 10:00:33 MESZ
@seewolf: Deinen Kommentar verstehe ich nicht. Soll er eine Antwort auf meine Frage sein?
phaeake,
2. August 2002 um 10:23:21 MESZ
Nee, hier wird assoziiert. Es gibt keine Threads und Ebenen, die zeigen worauf geantwortet wurde oder ob bloß einfach einer einen Spruch machen wollte.
seewolf,
2. August 2002 um 10:57:28 MESZ
@seewolf: daher meine Frage. Verstehen tu ich deine Assoziation trotzdem nicht.
phaeake,
2. August 2002 um 11:20:38 MESZ
@pheake: ABV war früher ein Polizist, der das Viertel oder Dorf, für das er zuständig war, gut kannte, meist auch privat integriert war und so viel vor Ort klären konnte, ohne daß immer gleich eine Sonderkommission gebildet werden mußte oder Fehlentwicklungen sich etablieren konnten. Diese wurden mit der Wende natürlich abgeschafft, weil sie auf ihre Rolle als ein wichtiges Element des überwachungsstaates reduziert wurden. Nun werden sie als Kontaktbeamte mit der eigentlich selben Intention wieder eingeführt. Das ist der Witz an der Sache. Alles klar?
seewolf,
2. August 2002 um 11:29:58 MESZ
Ja danke. Ist ja ausgesprochen interessant. Ich als Wessi dachte, ABV wäre das Blockwart-Analogon. Werden diese Kontaktbeamten jetzt nur im Beitrittsgebiet eingeführt? Und findest Du, seewolf, eigentlich ABV ein schönes Wort?
phaeake,
2. August 2002 um 11:40:14 MESZ
Die DDR der 80er konnte schon deshalb nicht so sein, wie sie heute manchmal gern dargestellt wird, weil sie sozusagen Schaufenster-Funktion hatte. Allein diese Tatsache und ein bissl Logik müßten vielen Leute helfen, ein wenig hinter vereinfachende Darstellungen zu schauen. Natürlich, und das hab ich ja erwähnt, war der ABV (kein schönes Wort, btw) in den Sicherheitsapparat eingebunden (so'n Zufall, als Polizist). Aber meist beschäftigte er sich mit dem Bekämpfen von Kleinkriminalität (dazu konnte nach seiner Fasson auch das Malträtieren von jugendlichen Mopdedfahrern und Radfahrern gehören). Für die Leute war er aber auch die Präsenz der Polizei auf der Straße, und hatte damit etwas mit dem Sicherheitsgefühl der Leute zu tun, was ja heutzutage wieder bejammert wird.
seewolf,
2. August 2002 um 11:47:00 MESZ
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Mit meiner Vermutung, ABV entspräche Blockwart, wollte ich nicht sagen, dass die DDRin Unrechtsintensität dem "Dritten Reich" entsprochen hätte. Der Blockwart war im Übrigen real ebenfalls manchmal duchaus hilfsbereit und nicht immer und nur Denunziant. Nur war er eben kein Polizist. Klar finden viele Leute die Präsenz der Polizei auf der Straße gar nicht so schlecht. Dass die in der Bundesrepublik nicht so hoch ist, ist auch eine Geldfrage. Wenn ich das höre: In jedem Dorf ein Polizist! In der Bundesrepublik konnte man auch in mittelgroßen Ortschaften aufwachsen und man hat Jahrelang keinen Polizisten auf der Straße gesehen.
phaeake,
2. August 2002 um 12:00:05 MESZ
Vielleicht hab ich es rosa gemacht, weil ich an Detlev Bucks herrliche Verkörperung des ABV in "Sonnenallee" gedacht habe. Oder weil ich an unseren ABV gedacht habe, der seine Bemme statt der Pistole im Halfter spazieren trug. Oder es ist eine Art Ossi-Defekt, den ich habe, der mich die meisten Wörter von früher, die es nicht mehr gibt schön finden lässt (unabhängig davon, ob das was sie beschrieben jetzt so besonders schön war). Keine Ahnung, etwas von allem vielleicht.
tinto,
2. August 2002 um 15:49:23 MESZ
Vielen Dank für die sehr persönliche Antwort. Ich habe ja hier immer dafür gefochten, dass es um die Schönheit der Wörter gehen soll - unabhängig davon, ob das, was sie beschrieben, jetzt so besonders schön ist oder war. Daher käme ich nie auf die Idee darin einen Ossi-Defekt zu sehen. Allerdings halte ich dieses Wort als solches für objektiv ziemlich schlimm, so dass ich doch dazu tendiere, deine Zuneigung zu ihm biographistisch zu interpretieren. Dagegen ist ja auch - es geht um Worte! - überhaupt nichts zu sagen. Problematisch finde ich die Verklärung der DDR-Realien in Sonnenallee aber schon.
phaeake,
2. August 2002 um 17:58:46 MESZ
Woher beziehst Du Dein Wissen, ob etwas verklärt wurde? Kann es vielleicht sein, daß manche Dinge eben zwei Seiten hatten, und Biographien eben subjektiv sind und man damit sehr wohl etwas anders sehen kann, ohne gleich historisch falsch zu liegen?
seewolf,
4. August 2002 um 12:35:11 MESZ
Ich habe das Bild, das "Sonnenallee" von der DDR-Obrigkeit gezeichnet hat, so empfunden: Etwas verkrampft, etwas spießig aber irgendwie doch harmlos. Die Mauer? Einfach grotesk. Dass dieselbe Obrigkeit an derselben Mauer noch 1989 Leute erschossen hat, die ihr Land verlassen wollten, ist vor diesem Hintergrund praktisch nicht vorstellbar.
phaeake,
5. August 2002 um 10:15:33 MESZ
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